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Aus: Ausgabe vom 14.05.2024, Seite 5 / Inland
»Krankenhausreform«

»Geldmaschinen für Investoren«

Internationaler Tag der Pflegenden: Dresdner Bündnis demonstriert gegen Finanzialisierung des Gesundheitswesens
Von Steve Hollasky, Dresden
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»Pflege in Not! Kein Platz für Oma und Opa«: Protestaktion des Bündnisses »Pflege in Not« in Schwerin (20.10.2023)

Seit sieben Jahren geht das »Bündnis für Pflege« am Internationalen Tag der Pflegenden in Dresden auf die Straße. »Doch die Situation hat sich nicht verbessert«, beklagte Christin Baksai am Sonntag am Rande der diesjährigen Demonstration gegenüber junge Welt. Im Gegenteil: Im gleichen Zeitraum habe sich der Eigenanteil in Pflegeheimen verdoppelt, die Rente aber nicht. Es fehle außerdem nach wie vor an Personal. Die Heime würden immer mehr zu »Geldmaschinen für finanzstarke Investoren«, so die examinierte Altenpflegerin.

Auch die von Karl Lauterbach geplante Krankenhausreform lehnten die Demonstranten in Dresden ab. Die Pläne des sozialdemokratischen Bundesgesundheitsministers würden »zu zahlreichen weiteren Schließungen und Fusionen von Kliniken führen«, sagte Anne Pötzsch gegenüber dieser Zeitung. Sie befürchte eine »dramatische Ausdünnung der Versorgung«, erklärte die gelernte Krankenschwester, die inzwischen Medizin studiert.

Diese Befürchtungen thematisiert das Bündnis auch in dem von ihm gedrehten Film »Klinischer Tod«, der anlässlich des Internationalen Tags der Pflegenden am vergangenen Freitag erstmals im Kino gezeigt wurde. Anhand zahlreicher Interviews zeigt der gut 45minütige Film Ursachen und Folgen von Krankenhausschließungen auf. Dazu sprachen die Aktivistinnen und Aktivisten an verschiedenen Orten mit Bürgermeistern und ehemaligen Beschäftigten. Im Ergebnis zeichnet der Film ein erschreckendes Bild von Versorgungslücken – vor allem in ländlichen Regionen.

Die Reform, die Lauterbach bereits vor Monaten auf den Weg gebracht hat, sieht der Film nicht als Lösung, sondern in ihrem zu erwartenden Ergebnis als weitere Verschärfung des Problems. Oliver Zech, Regisseur von »Klinischer Tod«, bedauerte am Freitag, dass sich »trotz unserer Bemühungen weder Bundesgesundheitsminister Lauterbach noch die sächsische Sozialministerin Petra Köpping« zu der geplanten Reform geäußert hätten. Der Film und die anschließende Diskussion wurden mit viel Applaus bedacht. Im überfüllten Saal mussten die Besucherinnen und Besucher sogar auf dem Boden Platz nehmen.

Nicht ganz so groß war die Demonstration, die das »Bündnis für Pflege« gemeinsam mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi organisiert hatte. Dennoch zogen am Sonntag gut 100 Kolleginnen und Kollegen lautstark durch die sächsische Landeshauptstadt. In Redebeiträgen und mit Sprechchören wurde die Ökonomisierung des Gesundheitswesens und der Pflege kritisiert. Der Krankenpfleger Marvin Heine unterstrich die Forderung des Bündnisses nach Insourcing von Reinigung und Essensversorgung am Beispiel des Städtischen Klinikums Dresden. Dort bemüht sich das Bündnis seit mehreren Monaten um die Wiedereingliederung der Essensversorgung und hat unter anderem einen entsprechenden Stadtratsantrag mit initiiert.

Benjamin Ludwig, als Verdi-Sekretär für die Krankenhäuser im Bezirk Dresden zuständig, erinnerte an die zahlreichen Arbeitskämpfe der vergangenen Jahre. Anschließend warnte das Bündnis eindringlich vor Versuchen rechter Gruppierungen, in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen Fuß zu fassen. Auf der Abschlusskundgebung vor der Frauenkirche forderte das Bündnis die Überführung der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen in die öffentliche Hand und die demokratische Kontrolle durch die Beschäftigten. Kapitalismus und Profitstreben hätten in der Pflege nichts zu suchen.

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  • Leserbrief von Christian Helms aus Dresden (14. Mai 2024 um 11:17 Uhr)
    Mit »Reiche reicher machen« am 13.05.2024 und »Geldmaschine für Investoren« am 14.05.2024 erschienen zwei aufschlussreiche Beiträge in der jW. Im ersten Beitrag wird ausführlich ein Buch über die »Steuergeschichte« der BRD seit 1946 besprochen. Wie schon die Überschrift des Beitrages feststellt, wurden durch die Steuerpolitik der bisherigen Regierungen die Reichen immer reicher. Umgekehrt wurden die Armen immer ärmer. Sowohl ein immer größerer Anteil der Bürger (zunehmende Armutsquote) als auch die öffentliche Hand, die Kommunen. Um ihre vom Gesetzgeber vorgegebenen Pflichtaufgaben zu erfüllen, waren und sind viele Kommunen gezwungen, große Teile ihres Eigentums zu verkaufen: Infrastrukturen wie Energie- und Wasserversorgung, Wohnungen, Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime – durch die Not bedingt meist zu Schleuderpreisen. Insgesamt etwa 50 Prozent ihres Eigentums hat die öffentliche Hand dadurch in den letzten 40 bis 50 Jahren verloren. Nutznießer waren und sind die im zweiten Beitrag genannten Investoren. Die dafür nötigen Finanzmittel hat ihnen die Steuerpolitik beschert. Zu beiden Beiträgen wäre noch zu ergänzen, dass die Privatisierung öffentlichen Eigentums immer auch ein Verlust von Demokratie ist. Nicht mehr durch Bürgervotum legitimierte Gremien entscheiden über Krankenhäuser und Pflegeheime, sondern allein profitfixierte Investoren – so der zweite Beitrag. Letztendlich befördert seit Bestehen der BRD die im ersten Beitrag dargelegte Steuerpolitik den Demokratieabbau.

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